Wie bekömmlich ist Superfood für die Produzierenden?
Kaffee, Kardamom und Quinoa sind drei Shootingstars unter den Lebensmitteln auf der internationalen Wirtschaftsbühne. Mit Baristakursen und vielen Kleinröstereien hält Kaffee wieder einmal einen Siegeszug in der Schweiz. Der schwarze Kardamom mit seinem rauchigen Aroma und den Ölen gehört in die Küche des indischen Subkontinents. Quinoa schliesslich hat es 2013 als 5000-jährige Kulturpflanze aus den hoch gelegenen Anden-Gebieten zur Namensgeberin des «UNO-Jahr des Quinoa» gebracht, als der damalige Generalsekretär Ban Ki-moon das Fuchsschwanzgewächs wegen seiner vielen Vorteile dazu erkor, in Zeiten des Klimawandels den Hunger auf der Welt zu bekämpfen.
Wechselwirkung zwischen Produzierenden und Weltmarkt
Mit der steigenden Nachfrage auf dem Weltmarkt gehen potenziell grosse Veränderungen für die Produktion und damit für die lokale Bevölkerung einher. Die Wechselwirkungen untersucht das r4d-Projekt «Feminization, agricultural transition and rural employment» (FATE). Risiko und Gewinn der Veränderungen werden innerhalb der Haushalte geteilt, sind jedoch je nach Geschlecht, sozialem Stand, Ethnie und Arbeitsverhältnissen sehr unterschiedlich verteilt, sagten Stéphanie Jaquet, Maurice Tschopp und Patrick Illien am r4d-Lunch im September 2019 in Zürich. Wie sich die Globalisierung des Handels auf Familien oder lokalen Gemeinschaften auswirkt und wie sie insbesondere die Stellung der Frauen beeinflusst, untersuchen die Forschenden mit sozialwissenschaftlichen Methoden. Mythen und Realität in der Superfoodwelt würden sich oft unterscheiden.
Kundschaft verlangt vertrauenswürdige Informationen
20 Teilnehmende von Grossverteilern, Start-up-Unternehmen, Zertifizierern und Nichtregierungsorganisationen liessen sich aus erster Hand informieren. «Die Kundschaft verlangt vermehrt Erklärungen, wie die angebotenen Nahrungsmittel produziert werden und woher sie stammen», kommentierte ein Vertreter eines Grossverteilers. Entsprechend gross sei das Bedürfnis nach vertrauenswürdigen Informationen und auch nach komplexeren Erklärungen. «Dank den wissenschaftlichen Hintergrundinformationen können wir auf Kundenanfragen zukünftig präziser reagieren», sagte der Teilnehmer.
Drei Klischees der Kaffeeproduktion und wissenschaftliche Erläuterungen
Die Forschenden haben in ihren Präsentationen drei häufig genannte Vorurteile der Kaffeeproduktion erläutert, die sie mit Resultaten aus Laos illustrierten.
Klischee 1: Die Mehrheit sind Selbstversorgerinnen.
Schlussfolgerung der Forschung: Feste und andauernde Arbeitsverhältnisse und Lohnarbeit sind kritisch, speziell für Frauen.
Mit Befragungen zeigten die Forschenden, dass Selbstversorgung eine Ausnahme ist. Vielmehr herrsche gleichzeitig eine Vielfalt von Arbeitsverhältnissen wie Lohnarbeit, Naturalpacht oder Selbstständigkeit, die in einen sehr lebendigen und von Machtverhältnissen und Saisonalität geprägten Arbeitsmarkt integriert seien. Lohnarbeit werde generell unterschätzt und finde auf Plantagen, bei Nachbarbetrieben oder auch ausserhalb der Kaffeeproduktion statt.
Klischee 2: Klein ist besser.
Schlussfolgerung der Forschung: Das Erreichen von angestrebten Regelungen und Standards («outcome standards») und Rechtsschutz («process rights») sind wichtiger.
Hier deckten die Befragungen vereinfachende Bilder auf. Kleinbäuerliche Betriebe sind demnach nicht unbedingt produktiver und mit gleichberechtigteren Bedingungen oder grösserer Armutsverminderung gleichzusetzen. Ungleichheiten und Selbstausbeutung sind zentrale Themen mit dem grössten Verbesserungspotenzial. Die Forschung zeigt, dass Landzugang existenziell wichtig ist, jedoch Alternativen mit Blick auf den Arbeitsmarkt und vor dem Hintergrund knapper Ressourcen nicht vernachlässigt werden sollten.
Klischee 3: Mikrofinanzierung löst alle Probleme.
Schlussfolgerung der Forschung: Beschäftigungsfördernde Investitionen und verbesserte Arbeitsbedingungen haben grösseres Potenzial.
Die direkte Finanzierung von Kleinbetrieben ist eine Möglichkeit mit beschränkter Wirkung. Die Befragungen zeigten, dass Massnahmen im Arbeitsmarkt wie Mindestlohn, Kinderbetreuung, Bereitstellung von Schutzausrüstungen und Arbeitsutensilien sowie Gewerkschaften nachhaltiger wirkten. Ebenso sehen die Forschenden Investitionen in Produktionsanlagen und Kooperativen als wichtige Alternativen zu Mikrofinanzierung an.
Bild 1: Angestellt, selbstständig, kooperativ verbunden? Das FATE-Projekt sucht nach den umwelt- und sozialverträglichsten Wirtschaftsformen für Kaffeebauern in Laos.
Nachhaltigkeit und Geschlechterfragen
An der Universität Bern haben sich für das Projekt Forschende für Nachhaltigkeits- und Geschlechterfragen zusammengetan. Denn die nachhaltige Entwicklung zum Schutz der Umwelt und für ein sicheres Einkommen geht nicht ohne die Klärung und Veränderung der Geschlechterrollen. Mit vier Teams in Bolivien, Laos, Nepal und Ruanda werden die sozialen Prozesse auf verschiedenen Kontinenten untersucht. Gerade für Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit seien vergleichende Analysen von drei Kontinenten hilfreich, weil dank FATE gemeinsame Herausforderungen herausgearbeitet werden könnten, sagte eine Vertreterin. Die Forschenden bilanzierten, dass gesunde Nahrungsmittel bei uns durchaus auch für die Produzierenden bekömmlich sein könnten.
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Sources
Kontext:
Dieser Beitrag basiert auf Forschungsresultaten des Projekts «Feminization, agricultural transition and rural employment» (FATE), finanziert vom r4d-Programm:
https://www.fate.unibe.chhttps://fateproject.wordpress.com
Kontakt:
Eva Ming, Centre for Development and Environment, Universität Bern, Mittelstrasse 43, CH-3012 Bern, Switzerland
eva.ming@cde.unibe.ch
Weitere Informationen:
FATE video: «Making a living from coffee» (2018); Veranstaltung: r4d Lunch «Superfood – Versprechen für lokale Entwicklung?»