Hoffnung säen auf fruchtbaren Böden
Der Forscher Fernando Sousa und die Filmemacherin Sara Baga reisten mit kostbarem Gepäck durch Westafrika. Ihre „Karawane“ trug Wissen über organische Düngung, selbstgezüchtete Insekten als Fisch- und Geflügelfutter und viele weitere Ergebnisse aus fünf r4d-Forschungsprojekten mit sich. Die Ergebnisse und Erfahrungen all dieser Projekte bündelnd, reiste die Karawane 3’500 Kilometer durch fünf Länder. Während 60 Tagen in öffentlichen Bussen oder Mietautos unterwegs begegnete das Team mehr als 2’000 Menschen. Ziel der Reise war, die Forschungsergebnisse zur Ernährungssicherheit in Sub-Sahara Afrika möglichst nah zu den betroffenen Menschen zu bringen und mit ihnen zu diskutieren.
Bild 1: Die Food Systems Caravan in der Übersicht.
Mali, Burkina Faso, Ghana, Benin und Nigeria. Fernando Sousa führte das Team der Food Systems Caravan durch unterschiedliche Landschaften und kulturelle Kontexte. Der ausgebildete Biologe und Forscher am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz ist selbst Teil des r4d- Projekts „Farmer-driven Organic Resource Management to Build Soil Fertility“ (ORM4Soil). Dieses will neue Techniken unter Bäuerinnen und Bauern bringen, um die Fruchtbarkeit ihrer Böden zu verbessern. Die Filmemacherin und Aktivistin Sara Baga dokumentierte die Reise und brachte eine Gender-Perspektive in das Projekt ein. Durch die audio-visuelle Dokumentation sollen sowohl die Reise als auch die Forschungsergebnisse einem breiteren Publikum bekannt werden. „Die meisten unserer Partner sind in Afrika. Die Karawane hat sich in jedem Land neu gruppiert“, sagt Fernando Sousa. Chinwe Ifejika Speranza von der Universität Bern stiess in Nigeria dazu; sie ist eine der leitenden Forscherinnen im r4d-Projekt „Towards Food Sustainability: Reshaping the Coexistence of Different Food Systems in South America and Africa“ (FoodSAF).
Komplexe Ausgangslage
Die Problematik ist vielschichtig. Die Kleinbäuerinnen und -bauern, die immer noch einen Grossteil der westafrikanischen Bevölkerung ernähren, stehen von vielen Seiten unter Druck. Im wirtschaftlichen Wettbewerb mit globalen Anbietern sind sie stark benachteiligt. „Die Ungleichheit zwischen Grossbauern, die vornehmlich für den Export arbeiten, und Kleinbauern ist enorm. Viele Kleinbauern sind bei Banken oder durch Mikrokredite verschuldet. Dies wird noch zugespitzt durch die Tatsache, dass lokale Märkte mit verarbeiteten Importgütern wie Weizen- und Maismehl oder Zucker überflutet werden“, sagt Sousa. Weil diese Güter aus Europa, den USA oder Asien in ihren Herkunftsländern subventioniert werden, sind sie oft billiger als die einheimische Ware.
Die sogenannte „grüne Revolution“ versprach Ertragssteigerungen durch den Einsatz chemischer Düngemittel und Pestizide. Doch der Preis dafür ist zu hoch. Die Bauern werden abhängig von Produkten, die importiert werden müssen. Steigen Produktpreise aufgrund von Schwankungen auf dem Weltmarkt, geraten viele von ihnen in existenzielle Not. „Die Strategien der grünen Revolution sind kurzfristig und niemals nachhaltig: Zwar sind die Ernten anfänglich tatsächlich besser, doch darf man nicht ausser Acht lassen, dass langfristig Bodendegradation und abnehmende Ernten folgen.“
„Wir haben bei mehreren Gelegenheiten gehört, dass es auf dem Land immer mehr Fälle von Krebs und Asthma gibt. Obwohl wissenschaftlich nicht untersucht, ist dies ein Indikator, dass sich viele Bauern keine Schutzkleidung leisten können oder nicht wissen, wie sie sich vor den Giften, die sie ausbringen, schützen sollten“, so Sousa. Dieser Lernprozess beginnt erst.
Bild 2: Zusammen auf den Feldern des Dominican Centre for Human Resources Development in Ibadan, Nigeria. Der 30 Hektaren umfassende Betrieb ist inspiriert vom integrativen agro-ökologischen Model des Songhai Projekts.
Aufs «Konto» Boden einzahlen
Forscher Fernando Sousa fügt an: „Geografische Nachteile, wie sehr alte Böden, spitzen die Situation noch zu. Die Böden in Westafrika sind weniger nährstoffreich als europäische oder nordamerikanische. Zudem sorgt das warme Klima für einen raschen Abbau der organischer Substanzen und den stetigen Verlust vorhandener Fruchtbarkeit. Der Boden ist wie ein Bankkonto. Eine Zeit lang kann man Beträge abheben, aber irgendwann ist es leer.“ In den Boden „einzuzahlen“ ist für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion essenziell. Die richtige Pflege des Bodens und seiner Mikroorganismen sei der Schlüssel für langfristige Fruchtbarkeit. Eine wichtige Rolle spiele dabei organisches Material. Lebendige Böden erodieren weniger, können mehr Wasser speichern und besser extremen Trockenperioden trotzen. „Es gibt viele Gründe, in die Regeneration starker, lebendiger Böden zu investieren. Das gilt auch in der Schweiz. Doch in Westafrika drängt die Zeit mehr, weil die Region stark unter dem Klimawandel und unter Armut leidet.“
Wissen teilen
In allen Ländern gab es durch die Food Systems Caravan organisierte grosse Konferenzen und Workshops, Seminare für Studierende, Begegnungen mit Bauern und diversen NGOs, die bereits im Bereich nachhaltiger Landwirtschaft aktiv sind. „Das grosse Netzwerk der r4d-Projekte ermöglichte es, alle am Ernährungssystem beteiligten Akteure zusammenzubringen. Von den Produzenten über die Verarbeiter, Händler und Konsumierenden bis zur Forschergemeinde. Wir wollten die übliche Segregation überwinden“, sagt Sousa. „An jeder Länderkonferenz wurden gemischte Arbeitsgruppen gebildet, die zu einer Fragestellung Empfehlungen entwickelten. Das führte zu lebhaften Präsentationen und Diskussionen.“
Dabei zeigte sich, dass Forschenden häufig das traditionelle Wissen fehle, während Bauern in der Regel kaum Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen hätten, dies oft wegen sprachlicher Barrieren und weit verbreitetem Analphabetismus. Durch die Food Systems Caravan kamen diese beiden Seiten zusammen und tauschten sich aus, nicht nur in Konferenzräumen, sondern auch auf Feldern.
Bild 3: Vierte Länderkonferenz in Cotonou. In der ersten Reihe sitzen Jeanne Zoundjihekpon und René Jinikun, beide Gründungsmitglieder der agro-ökologischen Föderation Benins (FAEB).
Kreise schliessen
„Es geht darum, die verschiedenen Kreise zu schliessen. Importe und Exporte öffnen zuviele davon. An Möglichkeiten, die Ernährungssysteme zu ändern, mangelt es nicht. Nationalen Strategien, um der Problematik zu begegnen, gibt es in diesen Ländern aber keine“, sagt Sousa.
Mit ihrem Dokumentarfilm und einigen Kurzfilmen wollen Sousa und Baga noch mehr Menschen durch die Begegnungen und Ergebnisse ihrer Reise inspirieren. „Bonnes pratiques“ – gute Beispiele – sollen über die Dauer des Projektes hinaus wirken und das Feuer einer kontinuierlichen Veränderung am Leben erhalten. „Es macht mich glücklich, zu sehen, wie der Film Form annimmt und langsam selbstständig wird“, sagt Sousa, „Er zeigt, wie viele Menschen bereits an der Veränderung arbeiten und wie vieles bereits gut läuft.“ Die Kreise schliessen sich langsam.
Bild 4: Auf dem Land des agro-ökologischen Projekts «Ferme Agro-pastoral Saint Joseph» nahe der Stadt Abomey, Benin.
Bild 5: Das Kernteam der Food Systems Caravan, Fernando Sousa und Sara Baga, mit Forschungskollege Charles Pomalegni und Fahrer Claude, Benin.
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Sources
Kontakt:
Fernando Sousa, Research Institute of Organic Agriculture (FiBL), fernando.sousa@fibl.org.
Projekt:
r4d Food Security Synthesis „Food Systems Caravan West Africa“; https://foodsystemscaravan.org; https://www.facebook.com/foodsystemscaravan/; http://www.r4d.ch/r4d-programme/synthesis
Mit Beiträgen aus den Projekten des r4d Food Security Moduls:
http://www.r4d.ch/modules/food-security
- ORM4Soil: Farmer-driven Organic Resource Management to Build Soil Fertility (Mali, Ghana, Zambia, Kenya);
https://www.orm4soil.net/orm-home.html; http://www.r4d.ch/modules/food-security/building-soil-fertility - DEMETER: Land Commercialization, Gendered Agrarian Transformation, and the Right to Food (Ghana, Cambodia);
https://r4d-demeter.info; http://www.r4d.ch/modules/food-security/gender-and-the-right-to-food - IFWA: Sustainable Use of Insects to Improve Livestock Production and Food Security in Smallholder Farms in West Africa (Burkina Faso, Ghana, Benin);
http://www.insectsasfeed.org; http://www.r4d.ch/modules/food-security/insects-as-feed - YAMSYS: Biophysical, institutional and economic drivers of sustainable soil use in yam systems for improved food security in West Africa (Burkina Faso, Côte d’Ivoire);
http://yamsys.org; http://www.r4d.ch/modules/food-security/sustainable-yam-cropping - FoodSAF: Towards Food Sustainability: Reshaping the Coexistence of Different Food Systems in South America and Africa (Bolivia, Kenya, Ghana, Zambia);
https://www.cde.unibe.ch/research/projects/towards_food_sustainability/index_eng.html
http://www.r4d.ch/modules/food-security/food-sustainability
Anlass:
Online meeting „r4d Lunch #Agroecologyworks!“ – Pre-screening of an early version of the documentary film about the Food Systems Caravan and discussions will take place on 22 and 23 April 2020, 12:00-14:15h, Central European Time (CET). Registration open until 15 April 2020:
http://www.r4d.ch/Events/Pages/200210_r4dLunchAgroecology_200407.aspx