
«Die Forschenden spielen das Erlebte herunter»
«Wir analysieren den Einfluss von Genderaspekten auf Gewaltprozesse, die Konfliktbewältigung und die Friedensförderung in verschiedenen Regionen Indonesiens und Nigerias. Insbesondere, was als männlich gilt, prägt die gesellschaftlichen Vorstellungen und die individuellen, kollektiven und institutionellen Verhaltensmuster massgeblich.

Foto: Valérie Chêtelat
Forschung in diesem Bereich ist mit zahlreichen Risiken verbunden. Einer Kollegin von mir wurde bei einem bewaffneten Überfall das Auto entwendet. Auch ihr Laptop wurde gestohlen, womit sie einen beträchtlichen Teil ihrer Forschungsdaten verlor. In Indonesien verlangten Mitglieder einer bewaffneten Gruppe, dass sie interviewt werden. Die Konfrontation endete glücklicherweise friedlich. Im vergangenen Jahr hat das Wiederaufflammen von Gewalt in gewissen Gemeinschaften im zentralnigerianischen Hochland zu Strassenblockaden und Ausgangssperren geführt. Deshalb mussten wir darauf verzichten, einen Dokumentarfilm über unsere Forschungsarbeit zu drehen.
Gewisse Gefahren sind nicht vorhersehbar. Ich wollte 2018 während eines Forschungsaufenthalts in Indonesien die Insel Lombok erkunden und erlebte dann ein Erdbeben. Zwar blieb ich unverletzt, doch ich habe mich gefragt, ob meine Forschung den Preis wirklich wert ist. Die Antwort lautet weiterhin: ja. Meines Erachtens fehlt eine Plattform, auf der sich Forschende über die Risiken vor Ort informieren und sich entsprechend vorbereiten können. Aus meiner Sicht als Expertin für Genderfragen fällt mir auf, dass die Forschung von sehr männlichen Idealen geprägt ist. Dieses lässt wenig Platz, um Emotionen zu zeigen und über Ängste zu sprechen. Forschende, die angespannte Situationen erlebt haben, spielen diese Gefahren nach ihrer Rückkehr häufig herunter oder erzählen mit Ironie davon. Das führt zu einem Teufelskreis aus Isolation und mangelnder institutioneller Begleitung der Forschenden.»
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Gender Dimensions in Peacebuilding
Sources
Kontakt:
Dr. Christelle Rigual
christelle.rigual@graduateinstitute.ch
Graduate Institute Geneva (IHEID), Maison de la paix, Rue Eugène-Rigot 2, Geneva, Switzerland.
Projekt:
r4d-Projekt „The Gender Dimensions of Social Conflict, Armed Violence and Peacebuilding“
http://www.r4d.ch/modules/social-conflicts/gender-dimensions-of-social-conflicts.
Kontext:
Dieser Text erschien im Forschungsmagazin Horizonte des Schweizerischen Nationalfonds und der Akademien der Wissenschaften Schweiz, Nr. 121, June 2019.
https://www.horizonte-magazin.ch/2019/06/06/sie-sind-mitten-im-krisenherd/