Der Teufelsbaum aus Amerika verdrängt die traditionelle Weidelandschaft.
Prosopis juliflora gedeiht gut auf ostafrikanischem Boden. Den Baum mit wohlklingendem Namen ‘Mesquite’ brachten Entwicklungsorganisationen mit guten Absichten aus Südamerika nach Afrika: Die tiefen Wurzeln sollten den Boden festigen und die Agrarlandschaft vor weiterer Desertifikation schützen. Die Blätter dienten als Tierfutter. Das Holz wurde bald als Bau-Material benutzt und die produzierte Kohle lieferte Energie für die Landbevölkerung und die wachsenden Städte. Doch die Erfolgsgeschichte kehrte sich bald in eine Bedrohung für Mensch und Natur.
Gefährdete Lebensgrundlage
Seit seiner Einführung in der Afar Region Äthiopiens in den 1970er und 80er Jahren verbreitet sich Propsopis juliflora bald ungebremst: Heute bedeckt der invasive Neophyt 1.3 Millionen Hektar Gras-und Buschland. Die Wurzeln des Mesquitebaums reichen bis 50 Meter tief. So verbrauchen die wassergierigen Neophyten nicht nur den Grossteil des Regenwassers sondern auch Grundwasser. Der Grundwasserspiegel sinkt und andere Pflanzenarten verlieren Halt und Wasser. Neben Nutzpflanzen nimmt so auch die Biodiversität ab und gefährdet die Lebensgrundlage von Menschen und Tieren. Was segensreich begann, nennen einheimische Bauern heute den «Teufelsbaum».
Foto 1: Flussbild und Verbreitungswege der Prosopis-Bäume
602 Millionen Dollar Ökosystemleistungen verloren
Allein in der Afar Region Äthiopiens gingen in den letzten 30 Jahren jährlich Ökosystemleistungen im Wert von mehr als 600 Millionen Dollar verloren – zum grossen Teil als Folge der Prosopis-Invasion mit rund 31’000 Hektaren pro Jahr. Dies zeigen die Berechnungen eines internationalen Teams aus äthiopischen und Schweizer Forschenden um Hailu Shiferaw, Urs Schaffner und Sandra Eckert. Neben dem Mesquitebaum trugen auch Klimaänderung, häufige Dürren, der intensivierte Getreideanbau und das Weiden von Tieren zum Wertverlust bei. In der gleichen Zeitspanne gingen in Afar ein Viertel der offenen Graslandschaften und Savannen verloren. Dies ist besonders besorgniserregend für eine Region, in der Nomaden traditionell Viehwirtschaft betreiben. Die Ausbreitung des Mesquitebaums entlang der Flussläufe hat zu einer markanten Abnahme von verfügbarem Weideland während der Trockenzeit geführt und damit ethnische Konflikte mitausgelöst.
«Unser Ziel ist Stabilität für die Region. Sei es für die Ökosysteme als auch für die Lebensgrundlage der Menschen», sagt Urs Schaffner. Kurzfristige, mehrheitlich ökonomisch dominierte Überlebensprozesse hätten zu den Ungleichgewichten geführt. «Wir müssen die Ausbreitung invasiver Pflanzen in den Griff bekommen, den Wasserverbrauch ins Gleichgewicht bringen und das Ökosystem trotz steigender Bevölkerungsdichte sichern», so Schaffner.
Foto 2: Karte Veränderungen
Die lokale Bevölkerung und die Verantwortlichen wollen auch Stabilität: Forschende um Ketema Bekele ermittelten, dass Haushalte in der Region jährlich rund 50 Dollar ausgeben würden, um die Invasion des Mesquitebaums einzudämmen. Entscheidungsträger auf verschiedenen politischen Ebenen erarbeiten Landnutzungspläne in bestehenden lokalen Strukturen.
Doch welche Massnahmen wirken? Zur Zeit entwickeln die Forschenden zusammen mit den lokalen und nationalen Akteuren verschiedene Szenarien auf allen Ebenen. «Wir bilden Wissensträger – ,Geschichtenerzähler’ – aus, die als Multiplikatoren auf allen Ebenen das Verständnis für die Invasionsprozesse steigern», erklärt Urs Schaffner.
Präzise Bestimmung der «Invasionsfronten»
Als Grundlage für die Planung und Überwachung kombinierten die Forschenden Satellitenbildauswertungen und Feldstudien vor Ort. Hoch aufgelöste Bilder von Landsat und Sentinel-Missionen ermöglichten Hailu Shiferaw und Sandra Eckert die Bestimmung von Prosopis-Beständen bis hin zu einzelnen, ausgewachsenen Bäumen aus dem All. «Während der Trockenzeit sind invasiven Arten die einzigen, die ihre grünen Blätter behalten und weiterhin Photosynthese betreiben, was auf Satellitenbildern gut zu erkennen, und sie von anderen Pflanzen unterscheiden lässt», sagt Sandra Eckert. Deshalb seien die immergrünen Bäume von den dürren Grasflächen eindeutig zu unterscheiden. Mit dieser Methode können die Forschenden mit hoher Zuverlässigkeit auch den Anteil der Prosopis-Pflanzen auf einer Fläche von 15 mal 15 Metern bestimmen. Dies erfordert aber auch grossen Einsatz im Feld: Hailu Shiferaw hat den Anteil und Bedeckungsgrad von Prosopis auf rund 1500 Flächen im Gebiet bestimmt. Mit statistischen Verfahren konnten Shiferaw und Eckert den Bedeckungsgrad auf die ganze Region hochrechnen und den Anteil Prosopis-Bäume grossräumig und exakt dokumentieren.
Foto 3: Lokales Wissen
Ein Schlüssel zum Erfolg des Projekts ist jedoch die Verbindung von beiden Wissensquellen. Die Resultate aus dem internationalen Forschungsprojekt und das Wissen der lokalen Forschenden und vielen anderen Akteuren vor Ort. Hier ruht auch das grosse Potenzial für die Anwendung der Resultate und die Eindämmung des Prosopis-Baums. Erstmals können äthiopische Fachleute auf gesicherte Grundlagen bauen und die Invasionsfronten der Prosopis-Einwanderung auf einen Blick erkennen. «Bis zu einem Bedeckungsgrad von 50 Prozent bleibt realistischer Handlungsspielraum», sagt Urs Schaffner. Bei dichterer Bedeckung sei das Land verloren, vorher der Druck noch nicht gross genug. Die neu erstellten Karten erlauben nun, frühzeitig betroffene Flächen auch mit tiefen Bedeckungsgraden zu identifizieren. «Damit können wir erste Bäume, wie sie sich beispielsweise in der Gemeinde Kebele etablieren, früh erkennen, gezielt aufsuchen und bekämpfen», erklärt Urs Schaffner.
Ein erfolgreiches Beispiel hat Sandra Ecker dokumentiert. Sie notierte die Koordinaten einer Versuchsfläche, wo mit chemischen Methoden Prosopis-Sträucher bekämpft wurden. «Wenige Monate später ist die Testfläche von Prosopis befreit, wie auch die Satellitenbilder zeigen», sagt Eckert. Dieses Fallbeispiel sei für die kommende Arbeit hilfreich, weil es aus unabhängigen Quellen stamme.
Foto 4: Vergleich 2017/2018
Die nächste Phase des Projekts hat bereits begonnen: Gemeinsam mit Entscheidungsträgern und Betroffenen erarbeiten die Forschenden die Strategien, wie das gewonnen Wissen zu den Akteuren kommt. «Das sechsjährige WoodyWeeds-Projekt macht es uns möglich, dass wir die Umsetzungsphase weiter begleiten können», sagt Urs Schaffner. Dabei könne sich das Team auf die Netzwerke der ersten Phase stützen und darauf bauen, dass sowohl Expertinnen mit ökologischem Fachwissen und Sozioökonomen gleichzeitig die Umsetzung der Szenarien begleiten könnten.
Ein weiteres Highlight konnten Schaffner und Eckert in Zusammenarbeit mit Purity Rima Mbaabu in Kenya erzielen, wo unter leicht erschwerten Bedingungen dieselben Methoden angepasst angewandt werden konnten. Zusammen konnten sie weitere amerikanische «Teufelsbäume» frühzeitig bestimmen.
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Sources
Kontakte:
Hailu Shiferaw, Addis Ababa University
hailushi31@yahoo.com
Urs Schaffner, CABI Switzerland
u.schaffner@cabi.org
Sandra Eckert, Universität Bern
sandra.eckert@cde.unibe.ch.
Kontext:
Dieser Beitrag basiert auf Forschungsresultaten des Projekts «Woody invasive alien species in East Africa» (WoodyWeeds), finanziert vom r4d-Programm:
http://www.r4d.ch/modules/ecosystems/invasive-species;http://woodyweeds.org/